Südwärts

Anfang September erlebte ich fast so etwas wie ein Déjà-vu.
Ziemlich genau ein Jahr nach unserer Vater-Tochter-Alaska-Expedition mit Amadeus und Oskar packten wir nun wieder die Camping-Ausrüstung in unseren Amarok. Doch dieses Mal sollte es ein anderes Abenteuer werden.

Europa statt Amerika.
Alpen statt Denali.
In einer Gruppe statt zu zweit.

Und so machten wir uns mit gepacktem Auto, aber ohne viel Ahnung, was uns die kommende Woche erwarten würde, auf den Weg in Richtung Süden. Laut dem Infozettel unseres Reiseführers sollte der Treffpunkt ein kleiner Campingplatz mitten in den Bergen von Norditalien sein.

Die Koordinaten dieses Startpunktes waren alles, was wir an Planung hatten, sodass diese Expedition im Gegensatz zur Alaska-Reise eine riesengroße Überraschung für meinen Vater und mich darstellte.

Nachdem wir am frühen Nachmittag unseres ersten Fahrtages die Schweizer Grenze überquert hatten, steuerten wir einen Campingplatz bei Bern an, der als Zwischenstopp für diese Nacht dienen sollte. Das Dachzelt war trotz einjähriger Übungspause ruck-zuck aufgebaut und so ließen wir den Abend am Flussufer der Aare gemütlich ausklingen.

Der nächste Tag führte uns noch weiter südwärts durch die Schweizer Berge und den großen St.-Bernhard-Tunnel bis nach Italien. Nach einer regnerischen Nacht in Bern strahlte uns nun auch endlich die Sonne entgegen.

Bevor wir unseren abendlichen Treffpunkt erreichten, füllten wir an der vermutlich letzten Tankmöglichkeit nochmal Sprit auf, um für die nächste Bergetappe gerüstet zu sein.

Anschließend ging es über abenteuerliche Straßen und enge Brücken immer weiter hinein in die alpine Einsamkeit. Anders als auf amerikanischen Highways, wurden die Kurven nun auch zunehmend enger und schwieriger für unseren Amadeus.

Kurz bevor ich entgültig nicht mehr an die Existenz dieses ominösen Campingplatzes am Ende der Straße glaubte, tauchte tatsächlich eine kleine Hütte zwischen den Bäumen auf.

Mitten im Nirgendwo warteten bereits zwei Geländeautos samt offroad-begeisteter Fahrerinnen und Fahrer auf uns im Nieselregen. Wir hatten also wirklich unseren Startpunkt gefunden und nach wenigen Minuten trudelten bereits die nächsten Menschen ein, die sich genau wie wir auf diese Tour gewagt hatten. Zum Abendessen gab es schnelles Campingfutter, kaltes Bier und zahlreiche Gespräche, um all die verrückten Gleichgesinnten kennen zu lernen, mit denen es die nächsten Tage über die Alpen gehen sollte.

Und was soll ich sagen? Die Gruppe hätte vielseitiger, spaßiger und freundschaftlicher nicht sein können…

Und nach diesem ersten richtigen Abend unseres Offroad-Abenteuers, ließen wir am nächsten Morgen den sicheren Asphalt hinter uns zurück und folgten steinigen Pisten hinauf in die Berge. Das Wetter war mal wieder voll auf unserer Seite, was der ohnehin schon traumhaft schönen Landschaft den letzten sonnigen Schliff verlieh.

Vom Beifahrersitz aus fotografierte ich ein Bild ums andere und genoss die Postkartenmotive, die an jeder Ecke auf uns warteten.

Ich hatte mir im Vorfeld zwar grob ausgemahlt, wie schön die italienischen Alpen sein könnten, mit solch eindrucksvollen Panoramen hatte ich jedoch nicht gerechnet!

Wir bewegten uns die ganze Zeit in einer Höhe von 1.000 bis 2.000 Metern über dem Meeresspiegel, was sich in Form der weiten Ausblicke bemerkbar machte. Gegen Mittag erreichte unsere Offroad-Karavane dann schließlich die steinigen Überreste eines alten Forts. Die perfekte Kulisse, um eine kleine Rast einzulegen und den Campingkocher anzuschmeißen.

Frisch gestärkt setzte der Tross sich wieder in Bewegung. Wir durchquerten vereinzelte Bergdörfer und stießen am Wegesrand auf wilde und zuckersüße Murmeltiere – definitiv mein tierisches Highlight dieser eindrucksvollen Reise!

Mit jedem Kilometer, den wir weiter zurücklegten, schien sich die Landschaft zu verändern.

Das herbstliche Gelb-Grün der Bergwiesen wich einem dunkleren Urwald-Grün samt üppigerem Baumbestand. Der Anblick der bewaldeten Gipfel errinerte mich fast schon an tropische Gefilde, wie man sie im Süden Amerikas vorfinden würde.

Nach weiteren holprigen Sträßchen, die mal bergauf, mal bergab, aber immer durch zahlreiche Kurven führten, näherten wir uns der geplanten Übernachtungsstelle: Ein altes militärisches Fort, weit größer als die Ruinen, zwischen denen wir unsere Mittagspause eingelegt hatten.

Doch mit dem Abend kamen die Wolken.

Immer dichter umschlossen die weißen Nebelschwaden den Gipfel, sodass wir bald nicht mehr viel von den luftigen Höhen erkennen konnten, in denen wir uns befanden. Aber irgendwie passte dieser Wetterumschwung ziemlich gut zu der verlassenen Festung und ihrer mystischen Atmosphäre.

Im windgeschützten Schatten der steinernen Mauern bauten wir unser Nachtlager auf. Das grobe Felsgestein unter den Reifen half dabei, das Dachzelt zu begradigen. Bevor wir uns jedoch am kuscheligen Lagerfeuer niederließen, erkundeten wir noch die dunklen Ruinen des Forts.

Im schummrigen Licht von Fackeln und Taschenlampen streiften wir durch enge Gänge und kahle Räume, wo einst italienische Soldaten gehaust hatten, um die Grenze ihres Landes zu verteidigen.

Diese kleine, nächtliche Erkundung gestaltete sich spannender, als so manche Gutenachtgeschichte und so verkrochen wir uns nach einem langen und aufregenden Tag erschöpft in unsere Schlafsäcke, während die letzten Reste des Lagerfeuer noch leise im Wind vor sich hin knisterten.

Fortsetzung folgt …

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